Norvin Leineweber – ‚In seinem Raum’
Seit 20 Jahren beschäftige ich mich mit den Kippmomenten zwischen sakraler und profaner Raumerfahrung. Konkreter Ausgangspunkt für diese Idee sind zum einen die Reliefs meiner Serie Konspekte, in denen ein tragender grundlegender Raum durch kommentierende Raumelemente ergänzt wird. Zum anderen ist es die Rauminstallation Undurchsichtige Zustände des rein Durchsichtigen, in der ein Übergang vom konkret dinglichen Raum in einen erlebten, perspektivischen Tiefenraum geschaffen wird. Diese sukzessive Raumverwandlung, für die sowohl Altarräume als auch Wohnräume den Hintergrund stellten, möchte ich nun innerhalb des Reliefs unter Einbeziehung des umgehenden Raumes realisieren.
Zugleich Nachbild eines Kultraumes und Freilegung des Raumgrundes, lässt die Andeutung eines Tiefenraumes, ergänzt durch einige bühnenartige Raumkompartimente mit einem losen Bezug zur Liturgie, offen, ob der Raum gerade erst eingerichtet oder aber aufgelöst wird. In der Ambivalenz von gedeutetem und ungedeutetem Raum spiegelt sich gewissermaßen die Ambivalenz des Bildersturmes, der einerseits den reichhaltigen liturgischen Raumbezug zerstört, diesen Verlust aber andererseits durch die Reduktion auf das Wesentliche zu einer Klärung führt.
Der Kirchenraum von St. Helena bietet dafür den idealen Rahmen, da er abgesehen von einer zentralen Altarmensa nur noch Spuren seiner ehemaligen Nutzung aufweist: Ein geistiger Raum, der daher immer wieder neu gefüllt und erfunden werden kann. Der mehrdeutige Titel „In seinem Raum“ verweist zudem auf die Frage nach der Urheberschaft des Raums.
Norvin Leineweber
geb. 1966 in Rees, lebt und arbeitet in Boslar.
Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf von 1987 bis 1994; Meisterschüler von Günther Uecker. 1990/91 Studienjahr an der Akademie výtvarných umení in Prag bei Stanislav Kolibal.
Seine Arbeiten waren in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, u.a. mit Einzelpräsentationen im Mies van der Rohe Haus Berlin sowie in den Kunstvereinen von Ahlen, Wesel und Würzburg. 2015 wurde ihm der erste Preis im Kunst-am-Bau-Wettbewerb Deutscher Bundestag - Wilhelmstraße 64 für den ‚Kunststandort Foyer im Erdgeschoss und Innenhof’ zugesprochen. Sein Projekt Lichtung wird voraussichtlich 2017 realisiert.